Ralf Wagner Leitfaden Volkswirtschaftslehre © 1996-2002
Kapitel 14
  Ralf Wagner Leitfaden Volkswirtschaftslehre © 1996-2002
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    14. Wachstum, Konjunktur und Gleichgewicht
    In den vorangegangenen Arbeitsblättern wurde unterstellt, daß das BIP bzw. BSP als Ausdruck der gesamtwirtschaftlichen Leistung ständig steigt. Dies ist auch so, jedoch schwanken die Wachstumsraten und erreichen mitunter auch negative Werte. Idealisiert lassen sich die Werte aus dem AM 9 wie folgt darstellen:
Abb. 14-1: Wachstumspfad und Konjunkturverlauf   Abb. 14-1: Wachstumspfad und Konjunkturverlauf
     
Wachstum

Konjunktur

lange Wellen

  Während der Wachstumspfad einen längerfristigen Trend abbildet, zeigen die konjunkturellen Schwankungen eher kurzfristige Veränderungen des BIP an. Diese Schwankungen ergeben sich letztlich aus der Reaktion der Wirtschaftssubjekte auf gesamtwirtschaftliche Daten. Verschiedene Theorien gehen z.B. von Überinvestitions- bzw. Unterkonsumtionsverhalten aus, welches duch die Märkte wieder korrigiert wird. Eine besondere Bedeutung wird dabei den Investitionen und dem durch Abnutzung, technischen Fortschritt oder Kostendruck durch Konkurrenz hervorgerufenen Erneuerungsbedarf zugeschrieben. So spricht man neben den kurzfristigen Zyklen auch von langen Wellen der Weltkonjunktur, die sich aus neuen Basisinnovationen wie z.B. von Dampfmaschinen oder der Mikroelektronik ergeben. Im Ergebnis eines "Konjunkturdurchlaufes" ist das BIP gewachsen, die Wirtschaftsstruktur hat sich verändert und verbessert und die Effizient hat sich erhöht. weiter im AM 15
Konjunkturindikatoren

aktuelle Indikatoren [Link BdB]

  Um konjunkturelle Schwankungen anzuzeigen, gibt es verschiedene Indikatoren. Während die Investitionsentscheidungen und die Auftragseingänge in der Wirtschaft sowie bedingt auch der Geschäftsklimaindex in der Regel der jeweiligen Konjunkturphase vorgelagert sind (Frühindikatoren), verändern sich BIP und Preisniveau gleichzeitig mit der Konjunktur (Istindikatoren) und die Beschäftigung folgt der wirtschaftlichen Entwicklung mit einem gewissen Abstand (Spätindikator). So geht einem Aufschwung in der Regel ein Ansteigen der Investitionen oder der Auftragseingänge voraus, während in diesem Konjunkturabschnitt selbst das BIP steigt und die Preise sich aufgrund der steigenden Nachfrage ebenfalls nach oben entwickeln, die Beschäftigung aber erst zögerlich zunimmt
Denis Meadows (MIT) : Grenzen des Wachstum (1971) als erster Bericht an den Clob of Rome   Über die langfristige Entwicklung des Wachstums gibt es zahlreiche Vorstellungen , die im wesentlichen den entsprechenden theoretischen Schulen (AM 20) zugeordnet werden können. Zunächst ist zu untersuchen, ob Wirtschaftswachstum überhaupt von Dauer sein kann. Während die bisherige Entwicklung eine positive Beantwortung dieser Frage zuläßt, gibt es spätestens seit der Erstellung der Weltmodelle (Grenzen des Wachstums, 1971) berechtigte Zweifel, die sich vor allem aus der zunehmenden Ressourcenbeanspruchung und Umweltbeeinträchtigung ergeben. Mitunter wird auch die Frage nach der Notwendigkeit des Wachstums negativ beantwortet und auf rein strukturelles Wachstum verwiesen, welches sich dann in quantitativem Nullwachstum äußert.
Wachstumstheorie   Geht man von einem quasi immerwährenden Wachstum aus, wäre dessen Entwicklung zu untersuchen. Die amerikanischen Ökonomen Cobb und Douglas haben dies in einer nach ihnen benannten Funktion beschrieben, die zwar von ständigem Wachstum ausgeht, dies aber mit sinkenden Wachstumsraten. Dies ist durch die bisherige Entwicklung der Industrieländer belegbar (AM 10). Die Wachstumstheorie untersucht Bedingungen und Verlauf des Wachstums näher und rückt damit den Zusammenhang von Wachstum und gesamtwirtschaftlichem Gleichgewicht (Ausgeglichenheit aller Märkte) ins Zentrum der Betrachtung. Während der neoklassische Ansatz (Solov) davon ausgeht, daß sich ein solcher Zustand durch das Wirken der Marktkräfte längerfristig von selbst einstellt, gehen postkeynesianische Ansätze (Harrod / Domar) vom gleichgewichtigen Wachstum als glücklichen Ausnahmefall aus und begründen damit erneut eine wirtschaftliche Funktion des Staates.
Gleichgewicht interdependenter Märkte

Gleichgewichtsmodelle

  Grundlage für eine Beschreibung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und der jeweiligen Staatseingriffe ist die Abbildung interdependenter, d.h. voneinander abhängiger und sich beeinflussender Märkte in Modellen. Während das IS-LM-Modell das simultane Gleichgewicht auf Güter- Geldmarkt = darstellt, versuchen Totalmodelle auch den Arbeitsmarkt einzubeziehen. Insbesondere bei den Totalmodellen sind die Systemvoraussetzungen aber so umfangreich, daß die mit der Bestimmung der Ausgangssituation das Ergebnis meist auch ohne Modell schon ersichtlich ist.
Abb. 14-2: IS-LM-Modell Gütermarktgleichgewicht
Y - Einkommen
C - Konsumnachfrage
I - Investionsnachfr.
E - Gleichgewicht
Indizes:
A - autonom
Y - einkommensabh.
d - Nachfrage
s - Angebot
0,1 - Zeitpunkte
  Abb. 14-2: IS-LM-Modell Gütermarktgleichgewicht
     
Gütermarkt

autonomer Konsum

Konsumquote

(Konsumquote und Sparquote ergänzen sich zu 100%)

Sparschwelle

Sparen = Investieren

  Die Abbildung 14-2 zeigt im oberen Teil einen Gütermarkt aus gesamtwirtschaftlicher Sicht. Auf der waagerechten Achse ist das Einkommen und damit die Entwicklung der Volkswirtschaft abgebildet. An senkrechten Achse werden Angebot und Nachfrage bei dieser Entwicklung dargestellt. Geht man davon aus, daß das Einkommen aus dem Verkauf des Angebots entspringt, sind Einkommen und Angebot immer gleich groß, die Angebotskurve (YA) steigt also im Winkel von 450 an. Die Nachfrage hingegen ist auch bei nicht vorhandener Wirtschaftsleistung vorhanden und wird durch die Natur oder den Import gedeckt. Hier spricht man von einem autonomen, einkommensunabhängigen Konsum. Mit einsetzender Wirtschaftsleistung wird der autonome Konsum durch einen einkommensabhängigen Konsum ergänzt. Seine Größe und damit der Anstieg der Nachfragekurve (C) hängt von der Konsumquote, dem Anteil des Konsums am Einkommen, ab. Bei einer bestimmten Wirtschaftsleistung schneiden sich Konsum- und Angebotsfunktion, d.h. hier kann die Volkswirtschaft den gesamten Konsumbedarf decken. Diesen Zustand nennt man Sparschwelle. Er ist besonders für die Länder interessant, welche an der Schwelle zur Industriegesellschaft stehen. Vermag die Volkswirtschaft die Sparschwelle zu durchschreiten, ist sie in der Lage, mehr herzustellen, als für den Konsumbedarf notwendig. Jeder weitere Expansion eröffnet die Möglichkeit Investitionsgüter herzustellen und zu verkaufen. Ein Gleichgewichtszustand stellt sich immer dann ein, wenn das über den Kosnumbedarf hinaus erzielte Einkommen gespart (Konsumverzicht) und in gleicher Höhe zur Finanzierung der Investitionen genutzt wird: Sparen (S) = Investieren (I).
IS-Kurve   Die Kreditnachfrage für Investitionen ist vom Zins (und damit auch vom Geldmarkt) abhängig. Zinsveränderungen führen zu Veränderungen des Gütermarktgleichgewichts. Die obere Abbildung 14-1 zeigt am Ausgangspunkt E0 ein Gütermarktgleichgewicht. Dies entspricht in der unteren Abbildung einer bestimmen (angenommenen) Zins-Einkommens-Kombination. Wird nun in der unteren Abbildung der Zins gesenkt, steigt in der oberen die Investitionsgüternachfrage durch die billigeren Kredite. Es kommt zu einem neuen Gleichgewicht bei einem größeren Einkommen. Dieses neue Einkommen wird in der unteren Abbildung seiner "Ursache", dem niedrigeren Zins, zugeordnet. Damit werden in der unteren Abbildung alle die Zins-Einkommens-Zustände abgebildet, welche mit einem Gleichgewicht auf dem Gütermarkt vereinbar sind. Da dieses die Relation S=I voraussetzt, wird die Kurve auch als IS-Funktion bezeichnet . Die Steigung der IS-Kurve läßt sich über das Investitionsverhalten der Wirtschaftssubjekte erklären als entweder zinselastisch bzw. zinsunelastisch erklären.
LM-Kurve

 


Übungsaufgaben Gesamtwirtschaft-
liches Gleichgewicht

  Gleichermaßen verfährt man bei der Darstellung des Geldmarktes in der Abbildung 14-2. Im linken Diagramm ist der Geldmarkt dargestellt. Einem konstanten (Monopol-) Angebot an Geld (M) durch die Zentralbank wird eine "normale" Geldnachfrage (L) gegenübergestellt. Das Geldmarktgleichgewicht stellt sich bei einem bestimmten Zinssatz (i) ein. Dieser Zins wirkt aber auch auf dem Gütermarkt . Er läßt sich einer Wirtschaftsleistung Y0 zuordnen. Steigt nun diese Wirtschaftsleistung, erhöht sich auch die Geldnachfrage, insbesondere durch den Transaktionsbedarf (AM 11), was wiederum eine Zinssteigerung auslöst und zu einem neuen Gleichgewicht auf dem Geldmarkt führt.

Die rechte Abbildung zeigt daher alle Kombinationen von Zins und Einkommen, welche mit einem Gleichgewicht am Geldmarkt vereinbar sind, was die Übereinstimmung von L und M bedingt. Daher wird diese Kurve auch als LM-Funktion bezeichnet.

Abb. 14-3: IS-LM-Modell Geldmarktgleichgewicht
L - Geldnachfrage
M - Geldangebot
weiter wie Abb. 14-1
 
(zum Vergrößern anklicken)
  Abb. 14-3: IS-LM-Moldell - Geldmarktgleichgewicht --> Zum Vergrößern anklicken
     
expansive Geldpolitik

expansive Fiskalpolitk

  Die Zusammenführung der IS- und der LM-Funktion in einem Zins-Einkommens-Diagramm führt zwangsläufig zu deren Schneiden, was einem durch die Marktkräfte erzeugtem simultanen Gleichgewicht auf dem Geld- und Gütermarkt entspricht. Eine Rechtsverschiebung der IS-Kurve entspricht einer expansiven Fiskalpolitik (Ausweitung der Staatsnachfrage), die der LM-Kurve einer expansiven Geldpolitik. Das Modell zeigt, daß die erste das Einkommen erhöht, aber auch die Zinsen. Dadurch wird ein Teil der Wirkung durch die Verdrängung privater Nachfrager wieder vermindert (Crowding Out). Die expansive Geldpolitik hingegen führt zu Wirtschaftswachstum bei sinkenden Zinsen. Eine Kombination aus beiden (policy mix) erreicht Wirtschaftswachstum bei relativ konstanten Zinsen.
    Für eine praktische Anwendung ist jedoch die Steigung der beiden Kurven (und damit das Investitions- und Geldnachfrageverhaltens) von entscheidender Bedeutung. Die Wirkungen der Politiken werden dadurch vergrößert bzw. vermindert. Ist zum Beispiel die Investitionsgüternachfrage (und damit die IS-Kurve) eher zinsunelastisch und die Geldnachfrage eher zinselastisch (Keynesianische Annahme) , erzielt eine expansive Fiskalpolitik größte Wirkung.
    Auch das IS-LM-Modell verdeutlich wie das Marktmodell, daß die Kräfte der Märkte zwar zum Gleichgewicht drängen, auch zu einem simultanen, daß die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Zustand jedoch zu erreichen oder dauerhaft zu halten, aufgrund der Zahlreichen Einflußfaktoren recht gering ist.
Wachstumsmodelle   Über das IS-LM-Modell und das hier nicht behandelte Total- oder Vier-Sektoren-Modell hinaus gibt es zahlreiche weitere Modellansätze, welche längerfristiges Wachstum beschreiben sollen. Während die postkeynesianischen Modelle von Harrod und Domar ausgehend von Multiplikator- und Akzelleratoreffekten eines solches Wachstum als glücklichen Ausnahmefall, also als "Wachstum auf des Messers Schneide" ansahen und damit auch die Notwendigkeit staatlichen Eingreifens zu Erreichung eines solchen Zieles begründeten, geht der neoklassische Ansatz von z.B. von Solov vom Gleichgewicht als notwendigem Ergebnis der Marktwirkungen aus. Beiden gemeinsam ist jedoch die hohe Priorität des Wachstumsgedankens, also dem Ökonomischen in Entwicklung.
     
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