Ralf Wagner
Politik
25.10. 1998


Dilemma der Geldpolitik

Man muß nicht gleich das Gespenst einer großen Deflation an die Wand malen, aber mit Inflationsraten um die null Prozent klopft es doch schon recht deutlich an die Tür. Berücksichtigt man, daß dieser Wert der Geldentwertung ein Durchschnitt ist, in dem eigentlich nur die staatlichen Gebühren und deren Folgen die Preistreiber sind, wird das Pochen schon lauter. Und auch die typische Devise einer Deflation "Kaufen wir nicht heute, sondern lieber morgen, vielleicht wird es noch billiger" gilt nicht mehr nur für Computer und Flugreisen.

Wenn das Geld aber beständig an Wert gewinnt, ist es offensichtlich zu knapp und Zinssenkungen, die zu einer vermehrten Geldschöpfung führen können, sind dann ein Gebot der Stunde. Aber die Senkung des Zinsniveaus ist nur eine der Möglichkeiten zur Abwendung dieser Gefahr, ebenso wie überhöhte Zinsen auch nur eine der Ursachen des gegenwärtigen Zustandes waren.

Wenn aber nun gerade die Politiker aus Angst vor den katastrophalen Folgen einer Deflation für Wachstum und Beschäftigung nach einer europäischen Zinssenkung rufen, so tun sie das, obwohl sie selber aller Warnungen zum Trotz mit den Maastricht-Kriterien die Zentralbanken zu einer mehr als nur restriktiven Geldpolitik und sich selber zu einem nicht minder deflationsfördernden, weil überstürzten und keineswegs nachhaltigen Sparen verpflichtet hatten. Neben dem Wettlauf um die Drei-Prozent-Marke in Sachen Nettoneuverschuldung hat es auch einen um die niedrigste Inflationsrate gegeben. Beides degenerierte zu Über-Zielen der Wirtschaftspolitik und ist Ergebnis genau jenes Einflusses der Politiker auf die Zentralbanken, welchen sie jetzt (angeblich neu) erreichen wollen und mit dem sie mangels anderer, vor allem eigener Anstrengungen einen öffentlichkeitswirksamen Schauplatz der Aktivitäten eröffnen.

Daß dies im Prinzip nur schief gehen kann, spürt auch Willem Duisenberg, auf den sich diese Begehrlichkeiten richten. Er wehrt sich gegen Zinssenkungen, um die Unabhängigkeit der EZB zu retten. Da er letzteres nicht ausspricht, können seine Argumente für ersteres auch nicht überzeugen und je länger er sich verweigert, desto stärker wird die Zustimmung für noch mehr Einfluß der Regierenden auf die Geldpolitik. Und dieses Verlangen kennt keine Grenzen. Schon fordern Deutschlands und Frankreichs Superminister Strauss-Kahn und Lafontaine vordergründig einleuchtende, dennoch aber kostspielige und in der Wirkung höchst zweifelhafte feste Wechselkurziele zwischen Euro, Dollar und Yen. Duisenberg kontert mit einem "großen ... Unbehagen über die möglichen Folgen einer solchen Wechselkursvereinbarung für die Geldwertstabilität im Inland" und meint, das diese "schon wegen der Konjunkturunterschiede .... weder erreichbar noch erstrebenswert" sei. Genau das zeigt aber Duisenbergs Dilemma, denn schon in wenigen Wochen muß er selber im Auftrag der Politik feste Wechselkurse durchsetzen, die elf Volkswirtschaften mit höchst unterschiedlichen Konjunkturbewegungen miteinander verbinden für die angeblich all das, was er für die Weltwirtschaft reklamiert, nicht gelten soll ....

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