Ralf Wagner
[12.7. 2004]
Falscher Ausweg 50-Stunden-Woche
50-Stunden-Woche? Weniger Urlaub?
Kaum ein Tag vergeht ohne einen neuen solchen Vorschlag. Das
alles ist maßlos überzogen und doch nur der Reflex auf
gravierende Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte.
Die Gewerkschaften werden noch immer nicht müde, sich selbst und
dem Rest der Gesellschaft einzureden, die hohen Arbeitskosten hätten
nichts mit Arbeitslosigkeit zu tun und ein Wettbewerbsnachteil
seien sie auch nicht. Die gleichen Gewerkschaften aber beklagen
nun lautstark Auslagerungen und schließen - allerdings nur dort,
wo es ihnen wichtig erscheint - plötzlich Verträge über längere
Arbeitszeiten und Lohnkürzungen.
Man braucht keine kaufmännische Ausbildung, um zu verstehen,
dass durchschnittliche Stundenarbeitskosten von 29 Euro in
Deutschland im Vergleich zu 9 Euro in Tschechien oder 3 im
Baltikum die deutschen Unternehmen in einem offenen Wettbewerb,
von dem wir ja auch durchaus profitieren, unter massiven Druck
setzt, zumal die Produktivität oft mehr von der Technologie als
vom Arbeitnehmer bestimmt wird.
Es geht kein Weg an der Senkung der Arbeitskosten vorbei. Die
Verlängerung der Arbeitszeit ist dabei jedoch nur eine von
mehreren Alternativen und wahrscheinlich nicht die beste. Für
die Unternehmen sinken dadurch die Arbeitskosten pro Stunde und
der Standort Deutschland gewinnt an Attraktivität. Gleichzeitig
aber wird das Arbeitsvolumen der schon Beschäftigten vergrößert,
da sie ja länger arbeiten. Eine Beschäftigungssicherung ist
also nur gegeben, wenn auch der Absatz deutlich steigt. Das gilt
aber kaum für alle Unternehmen. Bei sinkenden Absätzen wird
dann verstärkt entlassen. Und warum eigentlich sollen die, die
produktiver werden und auch länger arbeiten, de facto weniger
verdienen?
In Wahrheit zahlen die Arbeitnehmer mit dieser Lösung die Zeche
für ein komplettes Staatsversagen und sozialromantischen
Selbstbetrug. Ein Blick auf die Gehaltsabrechnung zeigt den Grund:
Der Soziastaat finanziert sich quasi als Strafsteuer auf Arbeit.
Durch die einkommensabhängige und paritätische Finanzierung von
Renten-, Kranken- und Arbeitslosen- sowie Pflegeversicherung
kommt es auf der einen Seite zu einer unsinnigen Verteuerung der
Arbeitskoten bei gleichzeitiger Verringerung der Kaufkraft und
auf der anderen Seite durch diese Erhöhung der Arbeitskosten zu
einer eigentlich nicht notwendigen Freisetzung von Arbeitskräften.
Die Finanzierung deren Transfereinkommen erhöht dann wiederum
die Sozialbeiträge der noch Beschäftigten, was wiederum zu mehr
Arbeitslosen führt. So werden z.B. Berlin in diesem Jahr
erstmals mehr Erwachsene von Transfereinkommen leben als von
Erwerbseinkommen. Tendenz steigend.
Und so lange wir uns in die Tasche lügen, diese Finanzierung des
Sozialstaates sei sozial oder gar solidarisch, werden wir auf dem
Arbeitsmarkt eine Scheinlösung nach der anderen erleben, ohne
aber wirklich mehr Beschäftigung zu bekommen.
Diskussionsforum zu den Artikeln | eMail | Fenster schließen