Ralf Wagner
[31.7. 2001]

Das deutsche Kankenverischerungssystem: Unsazial, unsolidarisch und nicht reformierbar
zu Elisabeth Niejahr: Deutschlands kranke Kassen in
Die Zeit

Das deutsche Pflichtversicherungssystem ist nicht nur krank und ineffizient, es ist unsolidarisch und unsozial - und es ist nicht reformierbar. Aber dies liegt weit weniger an maßlosen Ärzten, besserer und teurerer Technik oder an der immer wieder gern angeführten demografischen Entwicklung (deren Folgen werden erst in einigen Jahren sichtbar) sondern einzig am Missmanagement der Gesundheitspolitiker aller Parteien. Gemeinsam haben sie die Zwangsversicherungen als Spielwiese ihrer Umverteilungsphantasien genutzt. Herausgekommen ist keine Versicherung gegen Krankheit sondern ein völlig überfordertes System für alle möglichen sozialen Anliegen, in dem nur einer der Dumme ist: der Einzahler. Die kostenfreie Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern läßt sich "sozialwirksam" verkaufen und wird heute als absolut selbstverständlich hingenommen. Nur das ist sie nicht. Und keineswegs ist es alleinige Aufgabe der Pflichtversicherten diese Lasten zu Tragen. Politiker, die sich mit diesen "Wohltaten" brüsten, Beamte, die sie verwalten oder Richter, die deren Umfang ständig erweitern, sind allesamt privat versichert und entziehen sich damit der Finanzierung der von ihnen verordneten Leistungen.
Man darf vermuten, dass jede Änderung der Sozialsysteme vor allem an diesem Tatbestand scheitert. Denn wie auch immer man es anstellen mag, diese Gruppen würden dann auf jeden Fall stärker zur Kasse gebeten.
Zum Kreis der "Verteidiger" gehören aber auch die Gewerkschaften, welche die Sozialsysteme von jeher als "ihr" Instrument der Sozialpolitik betrachtet haben und dabei immer den Schulterschluß zu den oben genannten Sozialpolitikern gefunden haben. Obwohl es dem Arbeitgeber bei der Betrachtung der Arbeitskosten eigentlich völlig egal sein dürfte, ob er "seine" Beiträge nun selbst abführt oder als Bestandteil des Bruttolohnes wie die Arbeitnehmeranteile, wird diese Teilung als tabuisiertes Alibi für gewerkschaftliches Engagement auf diesem Gebiet missbraucht. Dieses mündet in der albernsten Veranstaltung dieser Republik, den Sozialwahlen. Wohl kaum einer der zwangsweise Versicherten weis, warum es in diesen kostentreibenden Wahlen geht. Eigentlich geht es ja auch um nichts. Die Spielregeln der Versicherungen regelt ohnehin der Gesetzgeber. Einzig "konkurrierende" Gewerkschaftslisten verschaffen sich hier eine Legitimation für eine Mitsprache, die keiner wirklich braucht.
Alle diese Gruppen haben auch ganz heftig protestiert, als der Wirtschaftsminister den Pflichtversicherten die Entscheidungshoheit über ihre Beiträge zurückgeben wollte. Er hat in Schwarze getroffen. Die sogenannten Sozialpolitiker haben versagt und die Zukunftssicherheit eines einstmals hervorragenden Systems ruiniert. Einzig in der Kontrolle durch die Versicherten selbst liegt der Ansatz für ein effizienteres System - ein Vorteil, den wie geschrieben, privatversicherte Politiker, Beamte und Gewerkschaftsbosse schon immer genutzt haben.

Diskussionsforum zu den Artikeln | eMail | Fenster schließen