Ralf Wagner
[25.7.2005]

Die neue Linkspartei - ein Spiegel für das Land (II)

zu Mit Kuchen gegen die Linkspartei
von Stephan Kaufmann
in
Berlin Zeitung vom 25.7. 05

Ein Sache wird dann plausibler, wenn man sich aus den Gegenargumenten das albernste heraussucht. Das muß sich Herr Kaufmann wohl gedacht haben, als er sich mit der „Kuchenschlacht“ gegen die Linkspartei auseinandersetzen wollte.
Er hätte auch andere finden können, auch zu so „sperrigen Dingen“ wie Konsumneigung, Inflationserwartungen etc. Dann aber wären ihm solche Zeilen wie „höhere Schulden sind als eine Investition zu sehen ... und ermöglichen es Deutschland aus den Schulden herauszuwachsen“ wohl schwerer aus der Feder geflossen. „Verweise auf Zeiten, in denen solche Versuche schon einmal gescheitert sind“ sind keineswegs nur historisch sondern sie beschreiben die deutsche Wirtschaftspolitik von den siebziger Jahren bis zum heutigen Tag. Jedes Jahr macht der Staat neue Schulden – natürlich mit immer neuen wohlklingenden Rechtfertigungen. Ein gewaltiger Nachfrageschub nach dem anderen, finanziert mit der Rechnung an künftige Generationen. Von kräftigen Wachstum ist ebensowenig zu spüren wie vom Herauswachsen aus den Schulden. Im Gegenteil: Heute macht der Staat schon Schulden, um die Zinsen der Schulden von gestern bezahlen zu können. Ignorantia non est argumentum, Herr Kaufmann.
Und wenn man schon anderen ehrfurchtsvoll Vokabeln des Keynesianismus anempfiehlt, wäre ein vorheriger Blick in ein paar Lehrbücher ratsam. Kenyes Empfehlung, ausbleibende Nachfrage durch den Staat kompensieren zu lassen, bezieht sich vor allem auf das Zurückbleiben des Konsums bei Einkommenssteigerungen. Von letzteren kann in diesem Land – das mag in den Redaktionsstuben der Berliner Zeitung glücklicherweise anders sein – wohl keine Rede sein. Ursache dafür ist vor allem aber der Staat selbst. Reale Steuersenkungen hat es nicht gegeben, denn was bei der Einkommenssteuer erlassen wurde, hat sich der Staat auf andere Weise wiedergeholt und sei es auf „elegante“ Weise wie bei der Finanzierung des Windwahns über die Strompreise. Mit anderen Worten würde der Staat dann mit Schulden den Nachfrageausfall kompensieren, welchen er selbst verursacht hat. Ein Irrweg.
In einem kann man Herrn Kaufmann aber ausdrücklich zustimmen: Für die anderen Parteien wird sehr schwer werden, sich inhaltlich mit der Linkspartei auseinanderzusetzen. WSAG und PDS können fest auf die Wirkung ihrer Parolen vertrauen, ist doch ganze Land vereint in der Sorge um vermeintliche soziale Gerechtigkeit, der Ignoranz ökonomischer Wahrheiten und dem festen Glaube daran, immer alles richtig und besser als die anderen gemacht zu haben. An diesem Mythos haben alle Parteien mitgewirkt und so sind die Schnittmengen mit Linkspartei größer als sie wahrhaben wollen.
Jede noch so kleine Reform wird nicht als Korrektur von Fehlentwicklungen sondern ausschließlich mit äußeren und neuen Faktoren wie den Kosten der Einheit, der Globalisierung oder dem demographischen Wandel begründet einschließlich der fatalen Suggestion, gäbe es diese Faktoren nicht, ginge es uns nach wie vor blendend.
Doch Heilung beginnt mit Erkenntnis. So gesehen ist die Entstehung der neuen Linkspartei auch eine riesige Chance für dieses Land. Sie hält ihm den Spiegel seiner eigenen Lebenslügen vor – jeder Partei und jedem von uns.

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