Ralf Wagner
[1.6. 2004]
Schlecht - und keineswegs
gerecht: die GKV
zu Timo Szent-Ivany: Es gibt keine Umverteilung, die
niemanden weh tut, Berliner Zeitung vom 28.5. 04
"Kann man die Privaten
abschaffen?" fragt Timo Szent-Ivany in seinem Interview zur
Bürgerversicherung ausgerechnet Herrn Jacob, einen
Wissenschaftler im Dienste der AOK. "Überraschende"
Antwort: "Unternehmen können ... nicht darauf setzen, daß
ihr Betätigungsfeld für alle Zeiten geschützt ist", was
wohl heißen soll: am besten die Privaten sofort abschaffen.
Für das Systen der Gesetzlichen Krankversicherung hingegen
fordert er genau diesen Bestandsschutz, geradeso als ob die
Privaten und nicht die Gesetzlichen in einer Dauerkrise steckten.
Kein Wort zu den Systemfehlern der Gesetzlichen, zur
Intransparenz, zur Ineffektivität, zur unnötig großen Anzahl
der Kassen. Natürlich sollen auch die Prinzipen der GKV erhalten
bleiben und damit es gut klingt, wird auf die kostenlose
Kindermitversicherung verwiesen. Herr Jacob verschweigt aber
geflissentlich, daß dieses Privileg nicht nur Kinder sondern
alle nicht erwerbstätigen Familienmitglieder genießen - bei
manchen Kassen bis zu vierzig Prozent der Versicherten. Und so
soll es wohl auch dabei bleiben, dass zum Beispiel eine ledige
erwerbstätige Mutter mit ihren einkommensabhängigen Beiträgen
"Solidarität" üben muss mit der kostenlos
mitversicherten Hausfrau. Hält Herr Jacob das etwa für gerecht?
Wahrscheinlich nicht und deshalb spricht man nicht darüber.
Der Gipfel des Zynismus ist jedoch die Aussage "Es gibt
keine Umverteilung, die niemanden weh tut". Nicht etwas die
Steuern sondern die Zwangskassen des deutschen Sozialsystems
haben die abhängige Beschäftigung in Deutschland so verteuert,
daß sie sich nur noch in hochproduktiven Bereichen rechtfertigen.
Weh getan hat das vor allem denen, die ihren Job verloren haben.
Nun fordert der Molloch neues Geld und auch Herrn Jacob ist es
wohl bewußt, daß das nicht ganz folgenlos bleiben wird.
Daher verharmlost er und tut so, als ginge es nur um "Junge
und gut Verdienende" und natürlich um die Beamten. Als
Wissenschaftlicher müßte er es besser wissen. Auch
Physiotherapeuten, Imbißbudenbesitzer und Existenzgründer sind
Selbständige. Da sie ihre eigenen Arbeitgeber sind und beide
Beitragsbestandteile zahlen müßten, wird ihnen die "Umverteilung"
so weh tun, daß viele ihrer Tätigkeit aufgeben müssen. Und hat
Herr Jacob einmal darüber nachgedacht, wer für die Beamten künftig
den Arbeitgeberbeiträge zahlen wird? Aber auch dem Steuerzahler
kann es ja ruhig ein wenig weh tun.
Aber Hauptsache, das System der GKV bleibt erhalten. Ein
schlechtes System wird nicht dadurch besser, daß man es auf alle
ausdehnt. Es wird dadurch auch nicht gerechter, auch man uns das
in Artikel wie diesem immer wieder einzurechen versucht. Die
Gesetzlichen Krankenkassen lösen kein Problem sie sind
das Problem. Die Umbenennung in Bürgerversicherung ist
aber nicht nur Etikettenschwindel, er ist Betrug, denn in einer
Zwangsversicherung hat einer wieder nichts zu sagen: der Bürger.
» http://www.berlinonline.de/...
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